Zum Inhalt springen

Berechnung einer Sperrschwinger-Schaltung

Inhaltsverzeichnis

Einleitung

Der Sperrschwinger bzw. Joule-Thief ist eine recht bekannte Spannungswandlerschaltung, welche aufgrund ihrer Einfachheit in vielen Hobbyforen erwähnt wird. Jedoch wird kaum der Versuch unternommen eine grundlegende mathematische Beschreibung der Schaltung vorzunehmen.

Dieser Artikel soll einen kleinen Einblick in die Funktionsweise der Schaltung geben, insbesondere sollen einige Annahmen erörtert werden, welche auch bei der Berechnung anderer Schaltwandlertopologien verwendet werden.

Funktionsweise

Schaltungsbeschreibung

Um die Funktionsweise des Sperrschwinger zu verstehen müssen zuerst einige Zusammenhänge erläutert werden. Für die Funktion die mit Abstand wichtigste Eigenschaft der Schaltung ist die Kopplung von \(L_1\) und \(L_2\), sodass diese einen Transformator bilden. Die Wicklungen beider Spulen müssen gegensinnig ausgeführt werden, im Schaltplan ist dies durch die Punkte gekennzeichnet. Dadurch ergibt sich, dass \(U_{L_1} = -U_{L_2}\) gilt. Die Spannungen an den Spulen sind also immer genau invers zueinander.

Des Weiteren ist die Spule \(L_1\) über \(R_1\) mit der Basis des Bipolartransistors \(Q_1\) verbunden. Daher wirkt sich die Spannung über \(L_1\) direkt auf den Bipolartransistor aus. Bekannterweise ist der Kollektorstrom \(I_C\) direkt abhängig vom Basisstrom \(I_B\) über die Stromverstärkung \(\beta\) bzw. \(h_{FE}\). \(R_1\) begrenzt hier den Basisstrom. Genaueres dazu in der nächsten Sektion.

Weiter in Richtung Ausgang befindet sich die Diode \(D_1\). Eine Diode wird nur leitfähig, wenn über ihr eine positive Spannung von Anode zu Kathode abfällt, sie verhindert in der vorliegenden Schaltung ein Rückfließen der Ladung von \(C_1\) zum Transistor \(Q_1\).

\(C_1\) schließlich glättet die Ausgangsspannung, in einigen Sonderfällen kann auf diesen verzichtet werden. Um möglichst allgemeingültig zu bleiben wird im Folgenden allerdings davon ausgegangen, dass er vorhanden ist. \(R_2\) ist die angeschlossene Last.

Leitender Transistor

Nun zur eigentlichen Funktionsweise. Die Schaltung soll sich im so genannten stationären Zustand befinden. Das heißt in diesem Fall, dass sich die Spannungen im zeitlichen Mittel nicht mehr ändern. Die Ausgangsspannung hat also ihren Endwert erreicht. Zu Beginn eines jeden Zyklus fließt kein Strom in \(L_2\). Durch \(L_1\) und \(R_1\) beginnt Strom in die Basis von \(Q_1\) zu fließen. Dadurch wird \(Q_1\) leitfähig, die Kollekor-Emitter-Spannung nimmt deshalb ab. Dadurch steigt die Spannung über \(L_2\). Durch die Kopplung von \(L_1\) und \(L_2\) wird dadurch auch der Transistor besser leitfähig. Diese Mitkopplung sorgt dafür, dass der Transistor in sehr kurzer Zeit seine maximale Leitfähigkeit erreicht.

Sperrender Transistor

Der Strom in \(L_2\) steigt immer weiter an, bis ein Maximalwert erreicht wird, welcher von \(R_1\) und der Stromverstärkung des Transistors abhängt. Die Spannung über einer Spule hängt direkt von der Änderung des Stromes durch sie ab. Da der Strom nicht mehr weiter ansteigt kehrt sich die Spannung an der Spule um. Dadurch wird auch der Transistor gesperrt. Allerdings fließt durch die Spule \(L_2\) weiterhin Strom. Da \(Q_1\) keinen Stromfluss mehr zulässt ist der einzig mögliche Pfad durch Diode \(D_1\). Über diesen Weg baut sich das Magnetfeld in der Spule ab, bis der Strom nahe 0 A ist, womit die Schaltung wieder am Ausgangspunkt angelangt ist.

Berechnung der Schaltung

Zur Berechnung der Ausgangsspannung ist es zunächst nötig, die Dauer der Phase 1 (\(T_1\)) bzw. der Phase 2 (\(T_2\)) zu ermitteln.

Phase 1

In Phase 1 leitet der Transistor \(Q_1\). Unter der Annahme, dass Betriebsspannung und Sättigungsspannung über die Zeit annähernd konstant sind ergibt sich die Spannung über der Spule \(L_2\):

\begin{equation} U_{L_2} = U_e - U_{sat} = L_2\frac{di_L}{dt} \end{equation}

(\(\frac{di_L}{dt}\) bezeichnet die erste Ableitung nach der Zeit)

Die linke Seite der Gleichung ist konstant, folglich steigt der Strom in der Spule linear an. Aus der Funktionsweise der Schaltung ergibt sich, dass der Spulenstrom immer bei 0 beginnt.

\begin{equation} i_{L_2} = \frac{U_e - U_{sat}}{L_2}\cdot t \label{gleichung2} \end{equation}

Der Strom ist durch den Basisstrom von \(Q_1\) auf einen Maximalwert \(I_L\) begrenzt. Dieser Strom lässt sich durch \(R_1\) einstellen. Wie eingangs erwähnt sind \(L_1\) und \(L_2\) gekoppelt, so dass über beiden näherungsweise die gleiche Spannung mit umgekehrtem Vorzeichen abfällt. Somit gilt für die Spannung über der Basis und \(R_1\):

\begin{equation} U_{R_1} + U_{BE, sat} = U_e - U_{L_1} \end{equation}

\begin{equation} U_{R_1} + U_{BE, sat} = U_e + U_{L_2} = 2 \cdot U_e - U_{sat} \end{equation}

Je nach Transistor liegt die Basis-Emitter-Sättigungsspannung zwischen 0.6V und 2V, für viele Kleinsignaltransistoren kann etwa 0.8V angenommen werden. Der Maximalstrom \(I_L\) ist dann mit der Stromverstärkung \(\beta\) wie folgt bestimmt:

\begin{equation} I_L = \beta I_B = \beta I_{R_1} = \frac{2 \cdot U_e - U_{sat} - U_{BE, sat}}{R_1} \label{r1} \end{equation}

\(T_1\) ist genau die Zeit, in welcher der Strom nach Gleichung \ref{gleichung2} den Wert \(I_L\) erreicht.

\begin{equation} T_1 = \frac{L \cdot I_L}{U_e - U_{sat}} \end{equation}

Phase 2

In Phase 2 sperrt der Transistor \(Q_1\). Der Strom durch \(L_2\) muss jedoch stetig sein. Der einzig mögliche Weg für den Strom geht über Diode \(D_1\). Dazu muss die Spannung am Knotenpunkt von \(Q_1\), \(L_2\) und \(D_1\) ansteigen, genauer gilt:

\begin{equation} U_{L_2} = U_e - U_a - U_D \end{equation}

Vereinfachend wird angenommen, dass alle Spannungen für die Dauer von Phase 2 konstant sind. Das ist für Ue erfüllt, wenn die Quelle einen geringen Innenwiderstand aufweist, bei \(U_D\) ist dies durch die Physik einer Diode sichergestellt, bei \(U_a\) solange \(C_1\) ausreichend groß ist.

Dadurch dass alle Spannungen konstant sind, hat - wie bereits in Phase 2 - der Strom durch \(L_2\) einen linearen Verlauf.

\begin{equation} i_{L_2} = I_L + \frac{U_e - U_a - U_D}{L_2}\cdot (t-T_1) \end{equation}

Bei \(t = T_1 + T_2\), also am Ende eines Zyklus ist der Strom durch \(L_2\) wieder bei 0 angelangt.

\begin{equation} T_2 = \frac{I_L L_2}{U_a + U_D - U_e} \end{equation}

Mittlere Ausgangsspannung

Die Ausgangsspannung lässt sich am besten über die Strombilanz berechnen. Im stationären Zustand ändert sich die Ausgangsspannung und der Ausgangsstrom im zeitlichen Mittel nicht, ebenso sind \(T_1\) und \(T_2\) konstant. Weiterhin gilt, dass der Strom durch \(C_1\) im zeitlichen Mittel 0 ist. Dies wird leicht verständlich, wenn man die gegenteilige Annahme macht. Wäre der Strom ungleich Null, so würde die Spannung am Ausgang kontinuierlich ansteigen, das würde jedoch der Forderung wiedersprechen, dass sich die Schaltung im stationären Zustand befindet. Daraus ergibt sich, dass der mittlere Laststrom \(\overline{I_{R_2}}\) identisch zum mittleren Strom durch die Diode \(\overline{I_{D_1}}\) ist.

\(\overline{I_{D1}}\) lässt sich jedoch leicht bestimmen. \(D_1\) ist nur für die Zeit \(T_2\) leitfähig, in dieser Zeit nimmt der Strom linear von \(I_L\) auf Null ab. Es gilt:

\begin{align*}\overline{I_{D1}} &= \frac{\frac{1}{2}T_2 I_L}{T_1 + T_2} \\ \overline{I_{D1}} &= \frac{\frac{1}{2}L_2 I_L ^2\frac{1}{U_a + U_D - U_e}}{I_L L_2(\frac{1}{U_a + U_D - U_e} + \frac{1}{U_e - U_{sat}})} \\ \overline{I_{D1}} &= \frac{1}{2} \frac{U_e-U_{sat}}{U_a+U_D-U_{sat}}I_L\end{align*}

Wie bereits erwähnt gilt auch:

\begin{equation} \overline{I_{D1}} = \overline{I_{R2}} = \frac{U_a}{R_2} \end{equation}

Simples einsetzen und Umstellen liefert daraus die folgende quadratische Gleichung:

\begin{equation} U_a^2+(U_D-U_{sat})U_a-\frac{1}{2}R_2 I_L (U_e -U_{sat}) = 0 \label{quad} \end{equation}

Bekannterweise hat eine quadratische Gleichung zwei Lösungen, eine der Lösungen liefert jedoch eine negative Ausgangsspannung, die real nicht möglich ist. Schlussendlich erhält man folgende Formel:

\begin{equation} U_a = \frac{U_{sat}}{2}-\frac{U_D}{2} + \sqrt{\frac{(U_D-U_{sat})^2}{4} + \frac{1}{2}R_2 I_L (U_e - U_{sat})} \end{equation}

Beziehungsweise die Näherungslösung: \begin{equation} U_a \approx \frac{U_{sat}}{2}-\frac{U_D}{2} + \sqrt{\frac{1}{2}R_2 I_L (U_e - U_{sat})} \end{equation}

Simulation

Um die obige Formel auf Korrektheit zu überprüfen soll mit dem Modell eine Schaltung entworfen werden und schließlich dieses Design simuliert werden. Folgende Anforderungen sollen erfüllt werden:

Parameter Wert
Eingangsspannung 1.2V
Ausgangsspannung 3.3V
Ausgangsstrom 30 mA
Diodenspannung 0.3V
Sättigungsspannung 0.2V
Stromverstärkung 100
Basisspannung 0.8V

Berechnung

Lastwiderstand

Der Lastwiderstand lässt sich aus Ausgangsspannung und -strom berechnen: \begin{equation} R_2 = \frac{U_a}{I_a} = \frac{3.3V}{30 mA} = 110 \Omega \end{equation}

Nötiger Maximalstrom

Aus Gleichung \ref{quad} Lässt sich der benötigte Strom \(I_L\) berechnen:

\begin{equation} I_L = 2 \frac{U_a^2+U_a(U_D-U_{sat})}{R_2(U_e-U_{sat})} = 2*\frac{(3.3V)^2+3.3V(0.3V-0.2V)}{110\Omega(1.2V-0.2V)} = 0.204 A \end{equation}

Basiswiderstand

Zuletzt muss noch \(R_1\) berechnet werden (vgl. Gleichung \ref{r1}): \begin{equation} R_1 = \beta \frac{2U_e-U_{sat}-U_{BE}}{I_L} = 100 \frac{2\cdot1.2V-0.2V-0.8V}{0.204A} = 686 \Omega \end{equation}

Ergebnis

Die folgende Abbildung zeigt den vollständigen Schaltplan in LTSpice.

Die Simulation zeigt Abweichungen vom berechneten Verlauf, die Größenordnung aller Werte ist jedoch korrekt. Der maximale Spulenstrom liegt bei etwa 210 mA, die Ausgangsspannung bei 3.346V.

Interpretation

Aus der Formel für die Ausgangsspannung kann man für das Design eines Sperrschwingers einige Schlussfolgerungen ziehen. Zum ersten ist zu bemerken, dass die Ausgangsspannung in der einfachen Form nicht geregelt ist und deshalb nur für unempfindliche oder sehr gut bekannte und konstante Verbaucher geeignet ist. Um die Ausgangsspannung einzustellen kann eigentlich nur der Wert von \(I_L\) verwendet werden, da alle anderen Parameter entweder Teil der Anforderung an die Schaltung sind (\(U_e\) und \(R_2\)) oder aber durch die verwendeten Bauteile gegeben sind (\(U_D\) bzw. \(U_{sat}\)).